A R C H I T E C T U R A L   P R O T O T Y P

URBAN MICRO CLIMATE CANOPY

 

„Urban Micro Climate Canopy“ ist ein architektonischer Prototyp, der als eine innovative pflanz-lich-technische Verbundstruktur neue Möglichkeiten aufzeigt, wie das Mikroklima in unseren Städten verbessert werden könnte. Die robotisch gefertigte Leichtbaukonstruktion ist mit Kletterpflanzen und Moosen begrünt und während der „Luminale – Biennale für Lichtkunst und Stadtgestaltung“ vom 18. bis 23. März 2018 an der Hauptwache in Frankfurt am Main erstmals im öffentlichen Raum erlebbar.

 

Das Projekt wurde in einem interdisziplinären Team von Architekten, Landschaftsarchitekten und Ingenieuren der Technischen Universität München TUM an der Schnittstelle von Lehre und Forschung entwickelt. Es ist ein erstes Versuchsbauwerk einer Forschungskooperation zwischen der Professur für Green Technologies in Landscape Architecture (TUM), dem Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen (TUM) und der Firma FibR GmbH aus Stuttgart. Insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels und der zunehmenden städtischen Verdichtung ist die Gestaltung öffentlicher Plätze eine immer größer werdende Herausforderung. Bäume sind gut fürs Stadtkli-ma, doch sie brauchen auch Platz und vor allem Erdreich für ihre Wurzeln. In Städten ist der Boden jedoch oft nicht für eine Bepflanzung geeignet, weil die Flächen versiegelt sind und sich darunter Leitungen oder U-Bahnschächte befinden. Um dennoch Grün in die Metropolen zu bringen, wurde „Urban Micro Climate Canopy“ als eine „künstliche Baumkrone“ entwickelt. Dank neuer, robotergestützter Fertigungsverfahren ist es gelungen, eine modulare Leichtbaustruktur zu schaffen, die transparent und doch hoch stabil ist. In diese Konstruktion sind – ähnlich einer Dachbegrünung – Vegetationsbereiche integriert, in denen Kletterpflanzen und Moose wachsen. Moose sind dafür bekannt, Feinstaub und Stickoxide binden zu können und tragen so zu einer Verbesserung der Luftqualität bei. Kletter-pflanzen können rasch eine große Blattmasse entwickeln und dadurch – wie ein ausgewachsener Baum – ein kühlendes Schattendach erzeugen. Durch die Verbindung computergestützter Entwurfsverfahren und Robotik mit den klimatischen und ästhe-tischen Potentialen lebender Pflanzen entsteht eine innovative Mikroarchitektur, die eine neue Dimension in der Gestaltung öffentlicher Räume ermöglicht und insbesondere in städtischen Hitzeinseln den Außenraum-komfort verbessern soll. In den „künstlichen Baum“ lässt sich Beleuchtung und Sensorik zur Messung des Mikroklimas integrieren. Hierdurch können wertvolle Daten zum städtischen Mikroklima gesammelt, sowie die Auswirkungen der Installation auf den wahrgenommenen Aufenthaltskomfort untersucht werden.Die Struktur schafft Aufenthaltszonen mit unterschiedlichen Schatten- und Lichtstimmungen, wobei die Ma-terialeffizienz der zugrundeliegenden Leichtbaustruktur mit einer Leichtigkeit und Transparenz einhergeht, die besondere Möglichkeiten der Beleuchtung eröffnet. Die für die Tragstruktur verwendeten Glasfasern kommen hierbei nicht nur aufgrund ihrer Trageigenschaften zur Anwendung, sondern gleichermaßen aufgrund ihrer hervorragenden lichtleitenden Eigenschaften. Der gezeigte Prototyp stellt einen beispielhaften Ausschnitt eines möglichen Umsetzungsprojekts dar. Ziel ist es, Plätze großflächig mit einer derartigen Struktur zu bespielen, um so großmaßstäblich klimamodulierend in den öffentlichen Raum einzugreifen und die Aufenthaltsqualität im Freiraum nachhaltig zu verbessern.

Am Anfang des Entwurfsprozesses stand das konstruktive Ziel, Leichtbaumodule zu entwickeln, die unter-schiedliche pflanzliche und technische Elemente aufnehmen und in ihrer Geometrie an wechselnde räum-liche Zielsetzungen und örtliche Bedingungen angepasst werden können. Zur Herstellung dieser Elemente wurde eine innovative robotische Fertigungstechnik für Leichtbaustrukturen verwendet. Hierbei werden wiederverwendbare Rahmenkonstruktionen von einem Industrieroboter mit harzgetränkten Glasfaserbündeln umwickelt, sodass zweifach gekrümmte, netzartige Strukturen entstehen. Nach der Aushärtung des Harzes wird der Rahmen herausgenommen und für die Fertigung weiterer Elemente wiederverwendet. Durch eine Variation des Wickelmusters, der Stärke der Faserbündel und der Anzahl der Lagen kann auf unterschiedliche konstruktive Anforderungen reagiert werden. Das Ergebnis ist ein materialeffizienter, weitgehend abfallfreier Herstellungsprozess, bei dem auf den sonst üblichen Formenbau verzichtet werden kann.

 

Ein erster Testaufbau der „Urban Micro Climate Canopy“ war bereits im Rahmen der „Munich Creative Busi-ness Week 2018“ im Deutschen Museum in München ausgestellt. Nach der Luminale in Frankfurt soll der ca. 3 Meter hohe Prototyp mit einer Grundfläche von ca. 7,2 auf 5 Metern im Sommer 2018 auf dem Campus der TUM aufgebaut werden und dort eine längere Testphase durchlaufen. Dabei sollen zusätzlich zu den bislang verwendeten Efeupflanzen weitere Kletterpflanzen auf ihre Eignung getestet werden und im Sockelbereich soll ein Regenwassermanagementsystem integriert werden. In einem nächsten Forschungsschritt sollen die Wachstumsmuster und die mikroklimatische Performance unterschiedlicher Pflanzenarten parametrisiert werden, um sie systematisch in den computerbasierten Entwurfsprozess integrieren und ihre Wirkungen simulieren zu können.

 

Projektdaten:

 

Standorte: München, Deutsches Museum I Frankfurt, Hauptwache, Luminale I Technische Universität München, Arcisstraße 21

Fertigstellung: 2018

Überdachte Grundfläche: 38m²

Spannweite: 7m

Höhe: 3.5m

Tragswerksgewicht: 560kg – 15kg/m²

 

www.ar.tum.de/umcc
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